Kommt gut ....

Guru Guru in Wetzlar

Das Konzert im Franzis war Klasse! Für die, die GURU GURU nicht kennen: Drummer Mani Neumeier, der mit seiner Band seit 47 (!) auf Tour ist, dürfte einer der dienstältesten (und besten) Drummer der Welt sein. GURU GURU sind die Saurier des Psychdelic Rock. Bands wie Tangerine Dream, Kraan, Can, Amon Düül und XHOL waren meines Wissen nie in den Charts, höchstens Kraftwerk, aber Insider wissen, dass diese Musik viele Musiker weltweit, auch in den USA, beeinflusst hat.

Als ich in den 80ern in einem Riesen-Plattenladen in Hollywood rumstromerte, hielt eine ewiglange Limo und eine Chart-Band kam rein, keine Ahnung mehr wer das war, um Promotion für die neue Platte zu machen. Weil ich gerade rumstand, quatschten sie mich an und als sie erfuhren, dass ich aus Deutschland bin, erzählten sie stolz, dass sie bei Conny Plank abgemischt hätten. Der war damals an der Westküste mindestens so angesagt, wie DER PLAN in Japan.

Hierzulande wurden die Charts von Brit,- und US-Rock und Pop dominiert, denn wir hatten ein Problem: Kraut-Rock war so unterhaltsam wie der neue deutsche Film. Man konnte nicht drauf tanzen. Ich erinnere mich an das große „Umsonst-und-draußen“-Festival in Vlotho. Alles steckte im Schlamm – und ganz besonders die Musik. Jede Menge Genies, aber keine Stimmung. Brillante Jazzer und Gitarren-Titanen masturbierten endlose Soli auf der Bühne, aber da war nix zum Abtanzen dabei. Dieses Rock-Jazz-Gezuppe war zum Gruseln, zumindest aus meiner Sicht. Und so schoben sich unsere Künstler ihr eigenes kunstvolles Grab, bis auf jene, die irgendwann begriffen, dass sich anspruchsvoller Musik und Unterhaltung nicht ausschließen müssen.

Wie sehr GURU GURU diesen Anspruch erfüllt, erlebte ich 2010, als ich ein Uni-Fest mit GURU GURU in Gießen besuchte und dann gestern im Franzis. Diesmal bin ich nicht wild rumgehopst, sondern versuchte, mich auf die feineren Nuancen zu konzentrieren. Das Publikum war wesentlich älter als auf der Uni-Fete, aber es waren auch ein Kids da, vermutlich junge Musiker, die mit großen Augen vor der Bühnen standen, um Reffert-Riffs zu inhalieren.
Die ‚Gurus‘ klangen etwas bluesiger als ich sie in Erinnerung hatte und rockiger können Gitarren nicht sein! Wenn die Gitarreros Roland Schaeffer (auf einer Stratocaster Bj. 64) und Hans Reffert, wie zwei alte Stiere aufeinander prallen, um die Vorherschafft in der Arena ringen, tatsächlich die Stirn bei den Soli aneinanderpressen, sich schieben und schnaufen (eine großartige Satire auf Egomania-Rockstars), wenn sie in irrwitziger Geschwindigkeit über ihre Gitarrenseiten rasen, während Neumeier / Kühmstedt mit harten Beats wie ein Güterzug durch den Raum donnern, dann lässt sich darauf VERDAMMT GUT TANZEN!
Wenn Schaeffer dann auch noch seine indische Schalmei bläst, bis dem Publikum die Amygdala erzittert, wird deutlich: Da braucht man keine Drogen mehr, GURU GURU sind die Droge!
In der Pause fragte ich Hans Reffert nach seinen Gitarren: Meist spielt er eine ‚Fender Jazz Master‘, das Modell, das einst den Sound der „Shadows‘ charakterisierte, aber bei den ‚Gurus‘ natürlich  etwas anders rüberkommt. ;-)
Seine Telecaster von 1956 „darf ich eigentlich gar nicht mitschleppen, weil die so wertvoll ist, aber der Sound ist so geil“, sagt er. Er war mal ein Jahr in den USA, aber nicht die Rock- und Bluesgitarristen waren dort seine Heroes, sondern Country-Musiker aus dem Süden, von denen wir noch nie gehört haben. Zwei Stücke begleitete er an diesem Abend auf einer Fender Lapsteel von 1956 (hier im Song ‚Wonderland‘) und wenn seine Lapsteel kreischt, dann kreischt Reffert mit: Pures Feeling bis zur Trance um dann wieder rasende Gitarren-Dispute mit Roland Schaeffer auszufechten.

Wie häufig bei Bassisten, hält sich der ultracoole Peter Kühmstedt im Hintergrund. Vor der Veranstaltung, als er da still und in sich gekehrt bei einem Drink saß, erinnerte er mich  an Burroughs. Kühmstedt ist der grundsolide 12-Zylinder, der alles am Laufen hält, besonders, wenn Mani zum Schamanen wird und von den Drums wegspringt, um sich in den legendären Elektrolurch zu verwandeln, der auch im Franzis als Zugabe über die Bühne tobte.

Fazit: Tolles Konzert, der Sound war auch sehr gut, das Publikum dankbar und selbst Manis japanische Frau Etsuko nickte wohlwollend, filmte manchmal und tanzte und klatsche mit, was selbst für Mani offensichtlich die höheren Weihen sind, denn später sagte er zu mir: „Sie hört alles (!) und heute gefiel es ihr.“ Mir auch.

Eugen Pletsch
Quelle: http://www.cybergolf.de/cgarchiv/3205-guru-guru-in-wetzlar